Lädt...

Rechtsanwältin Annika Schürholz im Interview

Einblick in die Arbeit einer Strafverteidigerin

veröffentlicht am 25. Mai 2022

    Im letzten Herbst hat Annika Schürholz zusammen mit ihrem Kollegen Konstantin Klein eine auf das Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht ausgerichtete und spezialisierte Kanzlei in Hagen gegründet. Im Gespräch gab sie uns einen Einblick in ihre Arbeit.

    Was hat Sie dazu bewogen, sich für eine Tätigkeit im Strafrecht zu entscheiden? Was reizt Sie an der Strafverteidigung besonders?

    Bereits während meines Studiums hat sich herauskristallisiert, dass mich das Strafrecht besonders interessiert. Es ist sehr spannend und abwechslungsreich. Reizvoll ist vor allem der psychologische Aspekt: Die Zusammenarbeit mit dem Mandanten ist sehr eng. Man steht sich sehr nahe.
    Hinzu kommen soziale Gründe: Ich finde es wichtig, allen Bürgern, egal aus welcher Gesellschaftsschicht, Zugang zum Recht zu gewähren.

    Um welche Delikte geht es bei Strafrecht-Fällen am häufigsten?

    Die Delikte, die wir behandeln, haben eine große Bandbreite. Doch man kann sagen, dass Betäubungsmittelstraftaten einen großen Anteil ausmachen.

    Einen Mörder oder Vergewaltiger zu verteidigen – das ist für viele ja nicht so ganz nachzuvollziehen. Müssen Sie sich oft für Ihren Beruf rechtfertigen?

    Ja, tatsächlich begegnet mir diese Frage sehr oft. Fast in jedem Gespräch. Privat versuche ich inzwischen, das Thema zu vermeiden. Das Strafrecht ist ein sehr umstrittenes Rechtsgebiet, das stark polarisiert. Viele fragen sich, wie man einen Verbrecher verteidigen kann.

    Wie reagieren Sie auf solche Vorbehalte?

    Im Rechtsstaat gilt für jeden Beschuldigten zunächst die Unschuldsvermutung. Jeder kann in eine Situation kommen, in der er zu Unrecht beschuldigt wird.
    Außerdem fahren wir nicht immer die Freispruchlinie. Es gilt nicht unbedingt immer, jemanden herauszuboxen. So geht es zum Beispiel bei einem Strafmaßverfahren um die Höhe der Strafe oder auch um die Haftbedingungen. Wichtig ist, dass jeder ein faires Verfahren verdient und dafür braucht es einen Verteidiger.
    Wenn ich das so erkläre, schwinden bei den meisten die Vorurteile.

    Sind Sie immer darüber informiert, was tatsächlich vorgefallen ist?

    „Es macht wenig Sinn, seinen Anwalt zu belügen“. Das sage ich meinen Mandanten in jedem ersten Gespräch. Dennoch gibt es durchaus Fälle, in denen erst während der Hauptverhandlung Dinge ans Licht kommen, die von Bedeutung für die Verteidigung sind. Das ist schon ärgerlich.

    Haben Sie auch schon einmal ein Mandat aus moralischen Gründen abgelehnt? Gibt es Tabubereiche für Sie?

    Bisher habe ich noch keinen Fall abgelehnt. Allerdings bin ich ja auch noch nicht so lange als Anwältin tätig. Schwer würde es mir fallen, jemanden aus der rechtsextremen Szene zu verteidigen. Da könnte ich mir schon vorstellen, ein Mandat abzulehnen.

    Ein weiteres Rechtsgebiet, auf das Sie sich spezialisiert haben, ist das Jugendstrafrecht. Gibt es in Hagen eine hohe Jugendkriminalität?

    Das lässt sich schwer sagen, weil die Vergleichsmöglichkeiten fehlen. Allgemein ist es aber so, dass die Jugendkriminalität eher ab- als zunimmt, auch wenn durch Medien oft ein anderes Bild vermittelt wird.

    Lassen sich geschlechtsspezifische Delikte beobachten? Gibt es typisch männliche und typisch weibliche Verbrechen?

    Auch wenn man das nicht eindeutig trennen kann, sind schon Tendenzen zu beobachten: Bei Männern dominieren Sexual- und Gewaltstraftaten. Die kommen zwar auch bei Frauen vor, aber nicht so häufig. Bei Frauen sind dagegen mehr Betrugsdelikte zu beobachten.

    Fast täglich begegnen Ihnen Leid und Gewalt. Verfolgt Sie das nicht auch in Ihrer Freizeit? Wie gelingt es Ihnen, am Ende eines Arbeitstages abzuschalten?

    Bei einigen Fällen ist es schon so, dass sie mich auch in der Freizeit beschäftigen. Allerdings kam das am Anfang noch wesentlich häufiger vor. Heute gelingt es mir ganz gut abzuschalten. Dabei hilft ganz viel Sport wie Mountainbiken oder Rennradfahren: Je schlimmer der Fall, desto länger die Strecke.

    Was hat Sie dazu bewogen, sich dem Unternehmer Rat Hagen anzuschließen? Was erhoffen Sie sich von Ihrem Engagement im Unternehmer Rat?

    Zunächst ist mir der Kontakt zu anderen Unternehmern wichtig. Den Erfahrungsaustausch halte ich für sehr hilfreich, besonders für junge Gründer wie uns. Außerdem finde ich es wichtig, sich in der Stadt zu engagieren, in der man wohnt und arbeitet.

    Sie haben Ihre Kanzlei im letzten Herbst gegründet. Wie ist Ihre Bilanz bisher?

    Die ersten beiden Monate waren schon nicht einfach. Da gab es sehr viel Organisatorisches zu bewältigen. Seit Anfang des Jahres hat sich aber alles ganz gut eingependelt, sodass unsere Erwartungen sogar übertroffen wurden. Das hängt auch mit den guten Voraussetzungen zusammen: Der Landgerichtsbezirk Hagen und auch die gute Anbindung an die A 45 ermöglichen ein großes Einzugsgebiet.

    Wir wünschen weiterhin viel Erfolg und vielen Dank für das Gespräch!